Zunächst fällt mir auf: Das ist ein klassisches Dogma. Man muss es glauben, und wer es nicht glaubt, gehört nicht zu den Guten. Als Ungläubiger sage ich: Die bombastische Musik Richard Wagners war und ist genauso auf den äußerlichen Effekt, auf Geld und Applaus des Publikums aus wie die von Giacomo Meyerbeer oder Giuseppe Verdi; auch wenn es bei Wagner etwas länger gedauert hat, bis er die passende Marktlücke gefunden hatte.
Ein wichtiger Unterschied aber liegt in den Stoffen der Opern. Man kann das an den Frauenrollen erkennen: In Meyerbeers Opern gibt es starke Frauen wie die »Afrikanerin«; in Wagners Opern gibt es nur böse Frauen und solche, die sich bestimmungsgemäß für einen Mann aufopfern. Meyerbeers Librettist Eugène Scribe ließ sich von pazifistischen Motiven leiten: In der Oper »Die Hugenotten« geht es um die Frage, ob Katholiken und Protestanten es schaffen, friedlich zusammenzuleben, und das Publikum bangt stets um diese Hoffnung. Bei Wagner dagegen ist von vornherein klar, dass von Hunding und Siegmund, von Siegfried und Hagen stets nur einer überleben kann. Ja, das ist tief, das ist existenziell! Wo das Blut spritzt, wo Speere sich in Därme bohren, da geht es um Schuld und Sühne, um Rache und Verderben. In Meyerbeers und Verdis Opern dagegen geht es um das Leben, die Liebe, die Freundschaft, den Erfolg, auch mal die Rache oder die Herrschsucht – also um lauter oberflächliche und alltägliche Affekte und Effekte, nichts Göttliches, nichts Schicksalhaftes… So sieht ein Wagnerianer die Welt!
Erstaunlich ist, dass dieser üble Zug im deutschen Denken es sogar geschafft hat, sich bis zu den heutigen Antideutschen fortzusetzen: Deren Affekt gegen deutsche Pazifisten, die den Frieden für wichtiger halten als den Krieg, atmet den Geist von Bayreuth. Dagegen setzen möchte ich ein Antidogma von Gustav Heinemann:
Nicht der Krieg, der Frieden ist der Ernstfall,
in dem wir uns bewähren müssen.
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