Montag, 17. September 2012

Batman: die Leichen auf und vor der Leinwand

Nein, nein, nein, auf gar keinen Fall hat das Attentat im Kino von Autora irgendetwas mit dem Film im Kino von Aurora zu tun. Iris Radisch beobachtete in der "Zeit" eine erschreckend gleich geschaltete Welle der "Batman"-Verherrlichung im Schatten eines Massenmords. 


Iris Radisch in Zeit Online vom 26.7.2012:

"Alle sind sich einig: Wenn ein maskierter, schwer bewaffneter Mann einen Film, in dem ein maskierter, schwer bewaffneter Mann Menschen massenmordet, unterbricht, um Menschen massenzumorden – hat das eine mit dem anderen natürlich rein gar nichts zu tun.
Der Befund, kurz nach der Tat von Colorados Gouverneur John Hickenlooper ausgegeben – der Massenmord sei »die Tat eines kranken Hirns« –, wird von Filmkritik zu Filmkritik bis zu unserer nebenstehenden Rezension weitergereicht. Der Spiegel schreibt: »Es war, nach allem, was danach bekannt wurde, die Tat eines Wahnsinnigen.« Spiegel Online weiß, dass der Film keinerlei Verantwortung trage »für die Hirngespinste eines psychisch kranken Menschen«. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung befindet per Ferndiagnose, dass der Täter sich nicht »im Kino angesteckt« hat mit dem Wahnsinn.
Diese Abwehrdiagnosen kommen so einhellig und panisch schnell, dass sie misstrauisch machen sollten. Auch wenn niemand beweisen kann, dass ein Zusammenhang besteht zwischen kulturindustriell simulierter Gewalt und echter Gewalt im Kostüm der Kulturindustriehelden: Woher weiß die Filmkritik so genau, dass es diesen Zusammenhang auf keinen Fall gibt?
(...)
Auf den kommerziellen Batman-Seiten im Netz stellt man unterdessen noch immer unschuldig die Frage: »Habt ihr schon mal mit dem Gedanken gespielt, selbst Batman zu sein?« Es folgen die Preise für Armbrust und Schusswaffen. Einen Teil seiner Ausrüstung hat sich der Attentäter gleich online bestellt."

Ich gebe zu: Meine ursprüngliche Überschrift, "Filmkritiker wissen alles über Amokläufer", war polemisch.  Denn die Filmkritiker und Filmindustriellen sagen nicht, dass sie alles über Attentäter wissen, sondern sie dekretieren, dass niemand etwas über Attentäter weiß (außer dass sie wahnsinnig sind, also unerklärlich), und dass das auf immer und ewig so bleiben muss. Sie brauchen diese Attentäter nämlich. Attentäter steigern insgeheim den Kitzel der inszenierten Gewaltexzesse auf der Leinwand.

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