Mittwoch, 26. Februar 2020

Wenn Intellektuelle für Nietzsche schwärmen

Auf der Website kommunisten.ch analysierte ein Schweizer Kommunist 2008 mit spitzer Feder, wie und warum ein italienischer Kommunist 2007 den imperialistischen Philosophen Friedrich Nietzsche beweihräuchert hatte. Dabei kam er am Ende zum Ergebnis:

Solche Besonderheiten [s. u.] erschweren es den Intellektuellen, sich als Teil eines Kollektivs zu identifizieren und erzeugen die Neigung, die Rolle des Individuums zu überschätzen und dem Kollektiv zu misstrauen. Eine Theorie à la Nietzsche, welche für die breite Masse Disziplin und Zucht ansagt, aber jede zügellose Freiheit für den individuellen «Übermenschen» fordert, fällt bei Intellektuellen naturgemäss auf fruchtbaren Boden. Besonders, wenn diese Leute sich selbst zu den Übermenschen zählen, wie dies offensichtlich bei massgeblichen Kreisen der Rifondazione zutrifft.
Die Besonderheiten im Dasein der Intellektuellen im Vergleich mit Arbeitern, die er zuvor aufzählt, sind:  1. Arbeiter sind stets in Kollektive eingebunden, Intellektuelle nicht. 2. Arbeiter werden kommandiert und können nicht darüber mitbestimmen, was sie produzieren; Intellektuelle können das schon. 3. "Der Lebensstandard von Intellektuellen ist in der Regel gutbürgerlich; sie geniessen damit einen Beuteanteil aus der Ausbeutung der Lohnarbeit, den sie nur zum Teil verzehren, zum anderen als Grundeigentum oder in Form von Wertpapieren zurücklegen." 

Punkt 3 teile ich nicht, da viele Arbeiter, z. B. in der Auto- und Chemie-Industrie, einen höheren Lebensstandard haben als viele Intellektuelle, z. B. Künstler, Schauspielerinnen, Musiker oder Sozialpädagoginnen. Der Satz ignoriert die Tatsache, dass Wertschöpfung und damit Ausbeutung nicht nur in Fabriken geschieht, sondern auch in Theatern, Konzerthäusern, Werbeagenturen, Fernsehsendern oder Schulen. Das bedeutet, dass wohlhabende Künstler einen Beuteanteil genießen, der auf der Ausbeutung anderer Künstler beruht, ebenso wie die Stammarbeiter von Daimler-Benz mit ihrem Jahreswagen einen Beuteanteil genießen, der auf der Ausbeutung von asiatischen Hilfsarbeitern oder Reinigungskräften beruht.  

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